-Jugend Selbstverständnis-

“Keimzelle Keimt – Die Jugend Bleibt Vereint!”, “Die Keimzelle ist ein besetzter, selbstorganisierter Jugendraum in der Rigaerstraße 94”

Ihr seht, das Wort Jugend spielt in unserer Sprache, sowie in unserem Handeln und unserer politischen Arbeit eine zentrale Rolle. Im Zuge dessen sind in unseren Treffen Diskussionen aufgekommen, was dieser Begriff “Jugend” überhaupt bedeutet, warum er uns wichtig ist und was es heißt, ein autonomer Jugendraum zu sein. Diese Diskussion wollen wir mit euch teilen.

Klar ist auf jeden Fall, dass es für uns keine starre Definition von Jugend gibt. Weder können wir anhand klarer Altersgrenzen ausmachen, ob jemand Jugendlich ist, noch anhand bestimmter Charaktereigenschaften oder anderer Merkmale.

Aus unseren Gesprächen haben sich zwei unterschiedliche Säulen, auf die sich der Begriff stützt herauskristallisiert : zum Einen die Jugend als Lebensphase und zum Anderen, Jugend als Mentalität, der sogenannte ‘Jugendgeist’.

Aus den Umständen, in denen Jugendliche leben und sozialisiert werden, ergeben sich bestimmte Charaktereigenschaften die wir als ‘Jugendgeist’ bezeichnen würden. Jugendlichsein ist also hier eine Art Lebensgefühl, das sich auf eben diese Charaktereigenschaften bezieht. Dazu zählt zum Beispiel eine generelle Offenheit, also dass Dinge anders sind/ anders gemacht werden als man es gewohnt ist. Die Offenheit zur Veränderung, dadurch auch eine gewisse Radikalität und Progressivität (also der Wille, Dinge vorwärts zu bringen). Natürlich ist die Jugend keine homogene Masse, und es gibt Jugendliche, die diese Eigenschaften haben, nur teilweise haben oder gar nicht haben. Außerdem sind diese Eigenschaften nicht exklusiv Jugendlich. Erwachsene können sie also genau so haben, ohne dadurch Jugendlich zu sein.

Zur Jugend als Lebensphase haben wir einige Punkte gesammelt. Wichtig dabei ist zu sagen, dass wir nicht denken, dass eine Person nicht (mehr) Jugendlich ist, weil ein Punkt nicht mehr gegeben ist. Es lässt sich auch nicht klar einordnen, wie viele dieser Punkte erfüllt sein müssten, um als Jugendlich zu gelten. Außerdem sehen wir diesen Aspekt mehr fremd- als selbstbestimmt. Ob man Jugendlich ist oder nicht, ist in Bezug auf den Begriff der Lebensphase, also keine Wahl die man trifft, sondern Wahrnehmung durch andere Menschen, sowie die materielle Lebensrealität, in der man steckt. Hier geht es zum Beispiel darum ob man eine feste Lohnarbeit hat, inwiefern man von den Eltern abhängig ist (finanziell, bei ihnen wohnen, etc.), wie viel Lebenserfahrung man bereits sammeln und wie viel man sich ausprobieren konnte und auch wie man rechtlich behandelt wird (zum Beispiel Jugenstrafrecht, Jugendknast, Schulpflicht, aber auch Vergünstigungen u.s.w.).

Auf der anderen Seite die Behandlung, die man erfährt weil man als Jugendlich wahrgenommen wird: Wir werden oft nicht ernst genommen, Erfahrungen werden uns abgesprochen. Jugendliche werden als ‘unreif’ dargestellt, eine Kategorie die wir sowieso ablehnen. Es kann natürlich aber auch eine bessere Behandlung mit sich ziehen, so gibt es bei Jugendlichen oft eine höhere Fehlertoleranz und Erwachsene sind oft mehr um unseren Schutz bemüht, als um den anderer Erwachsener. Diese ‘angenehmere’ Behandlung ist jedoch auch ein Resultat daraus, als unselbstständig dargestellt zu werden.

Diese Lebensrealität, die Jugendliche mal mehr und mal weniger teilen ist es, woraus sich die Notwendigkeit autonomer Jugendräume ergibt. Autonom bedeutet in diesem Falle, dass die Räume von Jugendlichen für Jugendliche verwaltet und gestaltet werden, ohne dabei finanziell, personell oder inhaltlich abhängig zu sein vom Staat, von offiziellen Trägervereinen oder erwachsenen Strukturen.

In diesen Räumen können sich Jugendliche gegenseitig kennenlernen, austauschen und weiterbilden. Räume, in denen die Jugend ausnahmsweise mal nicht bevormundet, unterschätzt und vergessen wird. Ein sicherer Ort für viele Menschen, die versuchen gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen. Menschen, die sich gegenseitig respektieren, kritisieren und reflektieren, um ein tolerantes Miteinander zu ermöglichen. Natürlich tragen wir auch die Mechanismen weiterhin mit, die wir in der Gesellschaft erlernen. Zumindestens in dem gemeinsamen Punkt Jugendlich zu sein, ergibt sich die Möglichkeit, sich auf Augenhöhe zu begegnen und ausnahmweise mal nicht so behandelt zu werden, wie die Gesellschaft Jugendliche eben behandelt. Trotzdem sind wir uns auch bewusst, dass wir auch aufmerksam auf Dynamiken innerhalb von Jugendgruppen sein müssen. Durch eine recht offene Auffassung, wie lange man Jugendlich ist können auch Altershierarchien zwischen Jugendlichen bestehen die unterschiedlich alt sind. Darum braucht es eine Transparenz über diese Machtgefälle und den Willen, diesen entgegen zu wirken. Da sie sich häufig in Wissenhierarchien wiederspiegeln, ist es wichtig diese abzubauen. Damit wird auch verhindert, dass sich innerhalb von Kollektiven kleine Gruppen von älteren Personen bilden, die mehr Verantwortung tragen und die im Endeffekt eine ungewollte Autorität darstellen.

Wir als Keimzellenkollektiv versuchen daher eine Balance zu finden, auf der einen Seite ein offenes Kollektiv zu sein, dass eine Anlaufstelle für neue Menschen ist und auf der anderen Seite aber auch in erster Linie ein Jugendraum zu sein, der Jugendlichen die Möglichkeit geben soll sich möglichst frei von Altershierarchien zu organisieren.