Pressemitteilung der Keimzelle

Jugendkultur verschwindet mit den Freiräumen!
Keimzelle vor der Räumung schützen! Für den Erhalt aller Berliner Jugendräume!
 
Die Keimzelle, ein selbstverwalteter Jugendraum in der Rigaer 94 in Friedrichshain, wird seit fünf Jahren von Jugendlichen selbst organisiert. Nun will sich die angebliche Eigentumsfirma ‘Lafone Investments’, eine britische Briefkastenfirma, unter dem Vorwand des Brandschutzes Zugang zum Haus verschaffen – in Begleitung der Polizei. Das, obwohl eine unabhängige Gutachterin des Bezirks bereits festgestellt hat, dass lediglich kleine Brandschutzmängel bestehen, die eigenständig behoben werden können. Ein*e von der Eigentumsfirma bezahlte Brandschutzgutachter*in hingegen, würde kein neutrales Gutachten erstellen, sondern versuchen, dem Interesse von Lafone Investements nachzukommen, eine Nutzungsuntersagung für möglichst viele Räumlichkeiten auszusprechen.
Einer der Hauptakteure hierbei ist Berlins Innensenator Andreas Geisel. Dieser versucht auf Biegen und Brechen die Begehung von der Eigentumsfirma zu ermöglichen. Dass es ihm dabei weder um Brandschutz, noch um das angebliche Recht der Eigentumsfirma geht, das Haus betreten zu dürfen, ist spätestens seit dem Leak einer E-Mail von ihm klar. In dieser schreibt er: „Die Bewohner wollen nicht, dass ihre Verteidigungsvorkehrungen in den Wohnungen und ihr Waffenlager […] auf dem Dachboden bekannt werden“.  Dies ist nicht nur eine haltlose und propagandistische Unterstellung, sondern stellt auch eine Kriminalisierung alternativer Lebensweisen dar. Eine Begehung aus dieser Motivation würde mit aller Wahrscheinlichkeit auch eine rechtswidrige Hausdurchsuchung bedeuten.
 
Die Keimzelle ist ein Ort, wo Jugendliche sich gegenseitig kennenlernen, austauschen und weiterbilden können. Ein Raum, in dem die Jugend ausnahmsweise mal nicht bevormundet, unterschätzt und vergessen wird. Ein sicherer Ort für viele Menschen, die versuchen gegen Ungerechtigkeiten vorzugehen. Hier werden Menschen respektiert, gegenseitig kritisiert und reflektiert, um ein tolerantes Miteinander zu ermöglichen. Zudem steckt in diesem Raum Arbeit, viel Liebe und Herz. In den vergangenen Jahren sind in diesem Raum Ideen entwickelt, Projekte umgesetzt und Freundschaften entstanden und gefestigt worden. In der Keimzelle werden Themen wie Antirassismus, Antifaschismus, Queerfeminismus, Gentrifizierung, Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit behandelt, teilweise durch gemeinsame Arbeit in Bündnissen, in Form von inhaltlicher Auseinandersetzung, Podcasts und Videos oder Werkstätten und Workshops. Zudem werden Demos und Kundgebungen organisiert, Transpis gemalt und Solipartys und Filmabende veranstaltet. Selbst während der Pandemie, wo auch die Keimzelle nur bedingt öffnen konnte, ist das Keimzellen Kollektiv aktiv an der Kiezgestaltung beteiligt geblieben. Durch die Organisation von Kiezradios und anderen Veranstaltungen draußen, gaben wir unser Bestes, Corona-konforme, politische und soziale Räume für alle auch außerhalb von Arbeit und Schule zu organisieren. Diese Art von Freiraum ist für Jugendliche unabdingbar. Dort können sie ihre Persönlichkeit entwickeln, sich frei entfalten. Sie erlernen Selbstständigkeit und politische Teilhabe, die ohne solche Räume kaum möglich ist.
 
Die Bundesregierung ging mit dem nationalen Aktionsplan die Verpflichtung ein, Kindergerechtigkeit als programmatisches Handlungsziel dauerhaft zu verankern. Zudem äußerte sie, dass der Nationale Aktionsplan das Ziel haben soll, sich auf die konkrete Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen zu beziehen: auf ihren Stadtteil, ihr Quartier und auf ihr Wohnumfeld.
Im Zuge dessen, sollten die konkreten Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen gehört werden. Denn die Verdrängung von Freiräumen führt dazu, dass Jugendliche sich an unsicheren oder nicht bedürfnisorientierten Orten bewegen. Trotzdem tut die Regierung nichts, um diese wertvolle Kultur zu erhalten oder zu schützen, sondern schafft den Rahmen für Verdrängung und Räumung von Jugendclubs.
Die Regierung muss im Interesse der Jugendkultur handeln, sonst verschwindet diese mit der Gentrifizierung in den nächsten Jahren noch weiter!
 
Daher fordert die Keimzelle, dass die Jugend aktiv in die Planung ihres Stadtteils einbezogen wird und ungenutzte Flächen kreativ und innovativ genutzt werden dürfen – so auch bereits etablierte Räume, wie die Keimzelle und die Potse. Dafür müssen diese vor einer Räumung geschützt werden. Somit könnten solidarische Strukturen entstehen und gestärkt werden. 
Eine Teilräumung des Hauses, und auch unseres Jugendclubs sind nicht auszuschließen. Das muss so weit es geht verhindert werden. Denn gerade die Jugend in einer Metropole wie Berlin braucht Räume, die sie selbst verwalten kann. Wo sie sich jenseits von Schule, Eltern und anderen Autoritäten austauschen kann, Ideen entwickeln kann, wo sie sich organisieren kann. Wir rufen dazu auf, dieses Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Um das zu tun, haben wir uns mit anderen Jugendlichen Berlins zum Bündnis “Jugend braucht Raum” zusammengeschlossen, was zu #unserFreiraum und den anderen Aktionen arbeitet.
 
Die Jugend ist die Zukunft – also sollte sie gehört werden und die gesellschaftliche Zukunft inner- und außerhalb ihrer Räume mitgestalten! Die Keimzelle muss bleiben – für die Jugend, für die Stadt, für alle.