Redebeitrag zur #mietenwahnsinn -demo am 01.04.

Oft wenn ich andere Jugendliche treffe und ihnen erzähle, dass ich Berliner*in bin kommt sowas wie:  „Du kommst aus Berlin? Das muss richtig cool sein!… “, -„Ja ist es, …irgendwie.. „

Stellt euch vor…
Ihr lauft durch eure Straße, trefft ein bekanntes Gesicht nach dem anderen und könnt gar nicht mehr aufhören zu schnacken. Die Besitzer*innen vom Laden nebenan, alte Schulkamerad*innen oder einfach Menschen, die ihr seit klein auf vom Gesicht her kennt, aber mit denen ihr nie ein Wort gewechselt habt. Einfach unbekannte Bekannte. Es liegen vertraute Gerüche und vertraute Geräusche in der Luft. Man merkt der Ort gehört noch den Anwohnenden…

Klingt nach keiner großen Nummer, aber ist der berliner Tagtraum, der langsam immer blasser wird oder zu mancher schon komplett verpufft ist. Hier wird der Straßenzug geprägt von einem Yuppicafé nach dem anderen, wo einem beim Preisschild die Spucke wegbleibt. Die bekannten Gesichter werden immer spärlicher und weichen Touristengruppen, die alle halbe Meter anhalten und die immer gleichen Häuserfassaden unter großem staunen abknipsen und auf ihren Geräten verewigen. Die nachbarschaftlichen Gespräche weichen Wegbeschreibungen und stillen Spaziergängen. Schon vor der eigenen Haustür, quatschen einen Yuppies nach möglichen freien Eigentumswohnungen an: „der Preis wäre natürlich kein Problem, denn Geld haben sie..“ Sie kommen her, nisten sich ein und zerstören das ganze urbane Leben mit Eigentumsansprüchen, die in der Stadt keinen Raum haben. Wie Ruhestörung, darauf folgende Kneipenverbote, Auflösung nachbarschaftlicher und freundschaftlicher Zusammenkünfte, sowie das Absperren gemeinschaftlicher Orte zur Eigennutzung.  Dies ist nicht mehr unser Kiez, und wenn dann nur noch in versteckten und den letzten erhaltenen Plätzen.

Die Gentrifizierung ist schon lange kein schleichender Prozess mehr, sondern mittlerweile so schnell, dass man nur noch in Schockstarre verfallen kann. Bekanntes und finanziell leistbares wird rausgeschmissen, ausgetauscht und aufgewertet. Für uns Jugendliche steht Gentrifizierung für einen konstanten Verlust der noch zugänglichen und „eigenen“ Räume. Für junge Menschen gibt es sowieso wenige Räume in der Stadt. Brachen, Spätis, Parks und Straßen .. der Rest wird teuer oder lässt dir kein Einlass, weil du noch minderjährig bist. Durch die konstante Bebauung jeglicher Freifläche in Berlin  sind Brachen nur noch ein spärliches Gut geworden und Neubauten, deren Mieten für uns unerreichbar sind, machen sich auf den alten Plätzen breit. Parks haben wir in Berlin ein Glück viele, jedoch wird der Aufenthalt entweder durch Bullen, die ab 22:00 Uhr ihre Runden drehen und jede jugendlichen Gruppe angreifen und auflösen, oder durch natürliche Wetterumstände unterbrochen oder aufgelöst. Es kann nicht sein, dass wir uns im Winter den Arsch abfrieren müssen, um soziale Interaktionen außerhalb der eigenen vier Wände haben zu können. Vor allem durch die Coronapandemie und die damit verbunden Auflagen ist die prekäre Situation für uns Jugendliche noch sichtbarer und spürbarer geworden.

Auch beim Thema Wohnungssuche und Auszug spürt man die Barrikaden. Wir finden keine Wohnungen oder Zimmer mehr in unseren eigenen Kiezen. Alle Freunde sind entweder aus Berlin raus oder an den Rand gezogen. Die eigene Miete für ein Zimmer allein ist im Durchschnitt schon so gestiegen, dass spärlich bezahlte Knochenjobs quasi die einzige Möglichkeit für junge Menschen sind, um diese Kosten überhaupt tragen zu können. Viel bleibt am Ende des Monats nicht übrig. Ausziehen und diesen Schritt der Unabhängigkeit zu machen entwickelt sich zu einem langatmigen Prozess mit wenig Perspektive. Gerade durch diese Notwendigkeit von bezahlbarem Wohnraum ist der Mangel und Rückgang von wbs-Wohnungen in Berlin eine Entwicklung, die wir uns nicht erlauben können. Über die Hälfte aller Berliner*innen haben Anspruch auf sogenannte Sozialwohnungen und das vorhandene Angebot von nicht mal 90 000 Wohnungen ist lächerlich klein.
Für uns ist klar: Jugendliche brauchen eigene Räume. Räume, die wir selbst gestalten und verwalten können. Wir als Keimzellen-Kollektiv versuchen tagtäglich mit unserer Arbeit auf diese Notwendigkeit aufmerksam zu machen und einen Raum für Jugendliche zu bieten, indem wir alternative und unkommerzielle Bildungs-, Kultur- und Aufenthaltsangebote schaffen.

Es ist wichtig, dass wir uns als Jugend in diesem Kampf nicht individualisieren und desillusionieren lassen. Es ist unsere Stadt, also bleiben wir hier! Wir brauchen Kiez- und Nachbarschaftsgruppen, die ihren Kiez kennen und gegen die anhaltende Gentrifizierung verteidigen. Vernetzt und organisiert euch, bildet eigene Keimzellen.  
Keimzelle keimt, die Jugend bleibt vereint!